In 5 Minuten zur großen Liebe

Abenteuer Blind Date – Ein Erfahrungsbericht beim Speed Dating

Die Trennung ist verarbeitet, die letzten Erinnerungsstücke an den Verflossenen sind entsorgt und auch die Trennungsfrisur sitzt mittlerweile wie eine Eins: Die perfekte Zeit also, um sich wieder voller Elan auf den Markt der einsamen Seelen zu werfen. Singles gibt es viele, zahlreiche Herzen warten darauf, erobert zu werden. Und ebenso vielfältig wie die potentiellen neuen Partner sind mittlerweile die Möglichkeiten, sich einen solchen zu angeln. Ich habe mich auf das große Blind Date Abenteuer eingelassen und mich für Speed-Dating entschieden. Was ich dabei erlebt habe? Lest selbst.

Geflirtet wird heute online

Meinen allerersten Freund lernte ich im Sandkasten kennen. Umkreist von Schippen, Eimern und Förmchen schworen wir uns ewige Liebe und buddelten einträchtig weiter. Keine große Sache und auch nicht von allzu langer Dauer. Vom Kindergarten über die Schule bis hin in die Universität – jede Station entpuppte sich als einigermaßen brauchbare Partnerbörse. Vielleicht war nicht jede Bekanntschaft die ganz große Liebe, aber immerhin war es leicht, neue Leute kennenzulernen.

Als berufstätiger Single Ende 30 stellt sich das leider ganz anders dar. Kein Wunder also, dass immer mehr Menschen online nach ihrem Seelenverwandten suchen. Während im Jahr 2003 sich gerade einmal 9,7 Millionen Deutsche bei einer Online-Blind Date-Börse angemeldet waren, lag diese Zahl im Jahr 2017 bei 13,57 Millionen.

Während ich also die letzten Jahre im Kokon meiner Beziehung verbrachte, hat sich das Flirten und Daten endgültig in die Online-Welt verlagert. Aber stundenlang vor dem Bildschirm zu hängen und darauf zu warten, dass Amors virtueller Pfeil ausgerechnet mich trifft? Nicht mein Ding. Ich will unter Leute, will mein Gegenüber sehen, brauche Gestik, Mimik und Stimme. Was hilft es mir, wenn die Funken in der virtuellen Welt zwar fliegen, sich beim ersten Treffen aber rein gar nichts mehr regt?

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Speed-Dating – Was ist das eigentlich?

Deshalb habe ich mich für einen anderen Weg entschieden: Speed-Dating. Dabei lernt man an einem Abend mehrere Kandidaten kennen, mit denen man sich jeweils nur wenige Minuten unterhält. Die Idee dahinter ist, dass 5-7 Minuten ausreichen, um eine grundsätzliche Sympathie festzustellen. Am Ende der Veranstaltung kann man angeben, wie viele der Gesprächspartner man gerne wiedersehen möchte. Kommt es dabei zu Übereinstimmungen, dann bekommen die „Matches“ vom Veranstalter ihre Kontaktdaten zur Verfügung gestellt und können sich zu einem echten Date verabreden.

Ich finde das Konzept noch aus einem anderen Grund überzeugend. Denn es ist eine meiner größten Ängste, dass mir bei einem Date der Gesprächsstoff ausgeht, noch bevor die Getränke an den Tisch gebracht wurden. Dass die peinliche Stille, die dabei entsteht, beim Blind Date ein natürliches Ende bekommt, kommt mir also sehr entgegen.

Blind Date: Zumindest eine lustige Erfahrung wert

Bevor die Schmetterlinge im Bauch ihren großen Auftritt bekommen, ist natürlich ein wenig Recherche angesagt. Denn es gibt zahlreiche Anbieter für Speed-Dating, die sich teilweise auch auf eigene Zielgruppe spezialisiert haben: So gibt es Veranstaltung für Akademiker, Leseratten und Fetisch-Anhänger. Auch über ein Blind-Speed-Dating bin ich gestoßen. Dabei haben die Teilnehmer eine Augenbinde um oder Papiertüten über dem Kopf, damit das Äußere keinen Einfluss auf die Entscheidung hat. Kann man machen, aber ich entscheide mich dann doch für die gängige Variante.

Ob ich an den Erfolg dieses Konzepts glaube? Keine Ahnung. Aber ich bin mir sicher, dass es eine lustige Erfahrung wird. Im Optimalfall verliebe ich mich tatsächlich, im schlimmsten Fall bringe ich mit Sicherheit einige skurrile Geschichten mit, die ich auf der nächsten Party zum Besten geben kann.

Die Vorbereitung auf mein Blind Date – oder die Frage nach den Fragen

Die Anmeldung ist raus, in gut einer Woche findet mein Speed-Dating statt. Noch bin ich relativ entspannt, obwohl mich natürlich einige Fragen umtreiben: Welche Art von Menschen werde ich dort treffen? Ist Speed-Dating womöglich der Grabbeltisch der Partnerbörsen? Wie schaffe ich es, meine ganze facettenreiche und schillernde Persönlichkeit in nur 5 Minuten darzustellen? Und vor allem: Welche Fragen soll ich meinem Gegenüber stellen?

Was machst du beruflich? Wie sind deine Hobbies? Welche sind deine Lieblingsfilme? – Klingt eher nach Freundebuch als nach dem Beginn einer leidenschaftlichen Liebesgeschichte.

Was treibt dich an? Was macht dich aus? Woran glaubst du? – Berechtigte Fragen, aber eindeutig eine Nummer zu groß für ein erstes Beschnuppern. Also auch nicht der richtige Weg.

Ich überlege lange hin und her und notiere mir schließlich drei Fragen, an deren Beantwortung ich auch selbst Spaß hätte: Wie sieht für dich der perfekte Sonntag aus? Worüber hast du als letztes lauthals gelacht? Angenommen, Geld spielt keine Rolle, wohin würdest du für einen Monat reisen?

Es ist soweit – Flirten im Akkord

Der große Abend ist endlich gekommen und mein Speed-Dating steht kurz bevor. Auf dem Weg dorthin stellt sich langsam doch eine gewisse Nervosität ein. Was, wenn ich nicht spontan genug reagiere und blöde und völlig banale Sachen sage? Oder wenn ich vor lauter Verlegenheit anfange zu stottern? Bevor solche und ähnliche Eventualitäten vollends von mir und meinen Gedanken Besitz ergreifen können, bin ich glücklicherweise schon angekommen.

Ich werde vom Veranstalter nett begrüßt und bekomme einen Cocktail in die mittlerweile doch schon etwas schwitzigen Hände gedrückt. Ich nehme einen tiefen Schluck und schaue mich zwischen Cocktailschirmchen und Orangenscheibe hindurch verstohlen um. Sofort setzt Erleichterung ein: Die anderen Flirtwilligen – elf Männer und elf Frauen – sehen alle ganz normal aus. Meine Befürchtung, dass sich hier die Resterampe der einsamen Herzen zusammenfindet, hat sich schon mal nicht bewahrheitet.

Wann kommt er denn endlich zum Ende…

Wir werden in einen Raum geführt, in dem eine sehr angenehme Atmosphäre herrscht: gedimmtes Licht, elf kleine Tische mit jeweils einer Kerze und dezente lateinamerikanische Musik im Hintergrund. Die Damen nehmen an den Tischen Platz und wir alle versuchen möglichst lässig dabei auszusehen, wie wir ungeduldig auf den ersten Kandidaten warten. Vor lauter Umschauen verpasse ich leider den Startschuss und schon sitzt der erste Flirtwillige mir gegenüber und schaut mich erwartungsvoll an: „Oh, äh hi, hallo!“ – an meiner opening line muss ich offensichtlich noch arbeiten.

Aber mein Gegenüber nimmt mir meine wenig spontane Eröffnung nicht übel und legt direkt los: Schulbildung, berufliche Stationen, sonstige Interessen… es fühlt sich so an, als würde er sich bei mir um einen Job bewerben. Ich versuche, möglichst interessiert zu schauen und an den passenden Stellen bestätigende Geräusche zu machen. Irgendwann wird er schon zum Ende kommen.

Und dann herrscht auf einmal Stille

Nach ungefähr dem fünften „Hmmmm“ meinerseits verebbt sein Redefluss relativ unvermittelt und er schaut mich erwartungsvoll an. Ich versuche es mit einem kleinen Witz: „Ok, du hast den Job!“ Eigentlich ist mein Humor eine Eigenschaft, auf die ich mir recht viel einbilde. In dieser Situation verebbte er allerdings im Nirgendwo. Ich spule also ebenfalls meinen Lebenslauf ab, weil mir nichts anderes einfällt. Noch während ich den ersten Satz sage, senkt mein Gegenüber den Blick und beginnt zu schreiben. Alle Teilnehmer haben Stift und Papier bekommen, um sich zu den einzelnen Kandidaten Notizen zu machen.

Soweit so clever. Mein Flirtpartner allerdings nutzt diese Möglichkeit derart intensiv, dass sich unsere Blicke in den verbleibenden Minuten kaum noch begegnen. Was mich dabei besonders irritiert: Er schirmt seine Notizen mit vollem Ellenbogen-Unterarm-Einsatz von mir ab. Was macht der da? Gibt er mir Zensuren auf mein Leben? Bevor ich ihn allerdings danach fragen kann, ertönt das Signal und die Herren gehen einen Tisch weiter.

Wie oft in der Woche hat ein normales Pärchen eigentlich Sex?

Mit meinen nächsten Gesprächspartnern läuft es glücklicherweise deutlich besser und es kommt die ein oder andere nette Plauderei zustande. Die Fragen, die mir gestellt werden, sind so unterschiedliche wie die Kandidaten selbst: Was bist du für ein Sternzeichen? Was war der schönste Moment deines Lebens? Wie viele Kinder willst du haben? Welches Tier wärst du gerne? Es war wirklich alles dabei. Und man hat natürlich gemerkt, dass sich jeder Mühe gegeben hat, mit möglichst witzigen, tiefsinnigen oder außergewöhnlichen Fragen zu punkten. Denn mal ehrlich, in einer Bar würdet ihr wohl niemanden mit den Worten ansprechen: Wie häufig in der Woche sollte ein normales Pärchen deiner Meinung nach pro Woche Sex haben?

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Elf Blind Dates in zwei Stunden – Mein Fazit

Ob sich ein Blind Date als Partnerbörse eignet, muss letztlich jeder für sich selbst entscheiden. Mir hat es großen Spaß gemacht. Alle Anwesenden waren nett und aufgeschlossen, von Freaks oder Nerds keine Spur. Mit den meisten Männern konnte ich mich gut unterhalten, bei einigen kamen mir die fünf Minuten allerdings etwas länger vor als bei anderen.

Was man sich allerdings im Vorfeld klar machen sollte: Die Kennenlern-Situation ist extrem konstruiert und künstlich. Jeder – und ich schließe mich selbst dabei natürlich nicht aus – gibt sein Bestes, um in der kurzen Zeit ganz besonders charmant, witzig und unterhaltsam zu sein. Das ist zwar der Natur der Sache geschuldet, führt aber teilweise zu Gesprächen, die man in der normalen Welt mit einem quasi Wildfremden niemals führen würde.

Am Ende des Blind Date bleibt gar nicht mal so viel übrig, bis auf…

Allerdings gibt es zwischendurch auch echte Momente. Gegen Ende des Abends, jeder von uns hatte bereits acht oder neun Gespräche hinter sich, stand ein erneuter Wechsel an. Doch anstatt mich mit einem strahlenden Lächeln zu bedenken, ließ sich mein neuer Flirtpartner einfach nur mit einem großen „Puh“ mir gegenüber auf den Stuhl fallen und fuhr sich leicht genervt durch die Haare. Diese kleine Geste, die so gar nichts Gestelltes oder Inszeniertes hatte, war der authentischste Moment des Abends und wir mussten beide lauthals loslachen. Für einen kurzen Moment haben wir hinter die Fassade der ausgedachten Fragen und der Selbstinszenierung geschaut.

Am Ende des Abends war er auch der einzige Kandidat, den ich gerne wiedersehen wollte. Und ihm ging es glücklicherweise auch so, denn schon zwei Tage nach dem Blind-Dating hatten wir unsere Kontaktdaten. Wir haben uns seitdem ein paar Mal getroffen. Von Verliebtheit möchte ich noch nicht sprechen, aber um einen ernstzunehmenden Flirt handelt es sich allemal. Ich würde also Speed-Dating nicht als Beziehungsgarant weiterempfehlen, dafür gehört einfach auch hier zu viel Glück dazu. Aber es ist in jedem Fall eine lustige und unterhaltsame Art und Weise, neue Leute kennenzulernen.

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